Über die Entität zur Therapie: Das Entitätenkonzept gliedert das DFS in ein System mit unterschiedlicher Pathophysiologie sowie möglichen Interventionen und gibt Anleitungen für eine standardisierte Behandlung. Der Schlüssel ist denkbar einfach: die Lokalisation.

Überlastete Areale finden sich an der Fußsohle, den Seitenbereichen des Fußes, auf den Zehen, an der Rückseite der Fersen und gelegentlich an anderen Stellen wie Amputationsstümpfen. Eine Sonderstellung nehmen Areale ein, die in der physiologischen Situation unbelastet sind, aber durch krankhafte Veränderungen der Biomechanik zu einer Auflagefläche werden (Plantarisierung). Diese Plantarisierungen können erst unter Belastung auftreten und daher in Ruhe übersehen werden. Somit ist der korrekten Entlastung ein biomechanischer Untersuchungsgang vorangestellt. Dabei werden einerseits die Ursachen der Überlastung aufgespürt und andererseits wird festgestellt, welche Bereiche für eine verstärkte Lastaufnahme geeignet sind.

Ohne Knochenvorsprung keine Überlastung

Die Überlastung tritt an Knochenvorsprüngen auf. Über diese Vorsprünge werden die oberflächlicheren Gewebeschichten einschließlich der Haut gezogen, gedehnt und ausgedünnt. Bei Druck von der Außenwelt auf den Vorsprung werden diese Schichten zudem gequetscht. Die Zahl der Knochenvorsprünge ist begrenzt. Es ist auch kein Zufall, welcher Knochenvorsprung unter Last gerät, sondern die biomechanische Störung bestimmt den Ort. Somit ist es möglich, aus dem Ort der Läsion auf den biomechanischen Hintergrund zu schließen und die Entlastung damit zu standardisieren. Der Läsionsort charakterisiert eine Untergruppe des DFS, die „Entität“. Entsprechend dem „Entitätenkonzept“ gibt es für jede Entität einen typischen biomechanischen Zusammenhang der Überlastung und dafür Entlastungsstandards.

PAVK unterschiedlich verteilt

Die PNP ermöglicht die Überlastung und somit den Gewebeschaden. Die pAVK ist in der Regel nicht so kritisch, dass sie ohne weitere Faktoren das Absterben des Gewebes verursachen könnte. Aber sie verhindert die effiziente Reparatur. Das ist insbesondere wirksam über Knochenvorsprüngen, die eine lange Strecke Blutfluss in leicht komprimierbaren Bereichen benötigen (Außenseite MTK 5, am Kopf und an der Basis) oder eine komplexe Blutversorgung über viele Seitenäste haben (Ferse). Andere Lokalisationen vereinen überlastungsfördernde biomechanische Phänomene, z.B. unter den Metatarsalköpfen kommen Achillessehnenverkürzungen, Ausdünnung von Polsterstrukturen durch die Zig-Zag-Deformität und Inversion/Eversion zusammen. Diese massivere Überlastung kann leichter auch ohne pAVK Ulzera auslösen.

Entlastung

Eine Entlastung kann durch Schrittzahlverringerung und durch Lastumverteilung erreicht werden. Die Schrittzahlverringerung ist wegen ihrer einfachen Verordnung populär, aber weltfremd, langfristig schädlich und außerhalb stationärer Einrichtungen grundsätzlich ungeeignet.
Lastumverteilung durch Hilfsmittel (äußere Entlastung) kann anhand der Lokalisation standardisiert werden. Sie wird durch Abstandhalter, durch Kippen des Fußes (Eversion/Inversion) und durch die Ruhigstellung von Gelenken erreicht.

Lastumverteilung durch Operationen (innere Entlastung) ist lebenslang und ohne die Anwendung von Hilfsmitteln wirksam und hat daher grundsätzliche Vorteile. Es stehen zahlreiche minimal invasive Verfahren zur Verfügung. Ihre Popularität unter Chirurgen bietet Optimierungsbedarf. Schon zu Beginn der Ausbildung wurde dem Autor der Satz „Große Chirurgen – große Schnitte“ nahe gebracht. Es besteht Hoffnung durch neue Generationen von Chirurgen, die nicht mehr glauben, dass man große Schnitte machen muss, um ein großer Chirurg zu sein.
Die Entlastung wird von den Betroffenen in ihrer Bedeutung und von den Behandlern im Ausmaß ihrer Unterlassung unterschätzt. Wenn sie für unerlässlich gehalten wird, dürfen eventuell dafür notwendige Materialien nicht entfernbar sein. Entlastung sollte bei Ulzera absolut zuverlässig funktionieren, in der Prophylaxe sind Kompromisse möglich und oft notwendig. Die Entlastung muss die Alltagsmobilität des Patienten schadlos ermöglichen.

Wie kam es zur Entwicklung des Entitätenkonzepts?

Im Rahmen der Qualitätssicherung der Netzwerke Diabetischer Fuß werden in Qualitätszirkeln Ergebnisse und Fälle diskutiert. Bei der Kontrolle auf Plausibilität von tausenden von Bildern fiel auf, dass sich bestimmte Lokalisationen wiederholten und die Bilder sehr ähnlich aussahen. Daraufhin wurden ähnliche Bilder in 50 getrennten Ordnern kategorisiert und die Eigenschaften der dazu gehörenden Krankheitsgeschichten in die Analyse eingezogen. So kam es zur Bildung von 24 weitestgehend homogenen Entitäten.