Buch_HochlEngArtikel aus: Orthopädieschuhtechnik 11/15 von Dr. Dirk Hochlenert, Dr. Gerald Engels, Dr. Stephan Morbach

Zusammenfassung:

Die Lokalisation von Ulzerationen am diabetischen Fuß ist nicht zufällig und hat in der Regel biomechanische Ursachen. Wie der Schmerz das Überlastungssymptom des Menschen ohne Neuropathie ist, so ist das Ulkus das Überlastungssymptom der Menschen mit Neuropathien. Bei Druckulzera weist die Lokalisation auf die spezifische Störung der Biomechanik hin, woraus sich die Art des Entlastungskonzeptes ableitet. Häufig empfiehlt sich hier auch ein chirurgisches Vorgehen, bei dem durch gezielte, kleinere Eingriffe wieder ein belastbarer Fuß hergestellt werden kann. Die Lokalisation der Ulzerationen und die Identifizierung der typischen schädigenden Auslöser wurde anhand der Auswertung von über 10 000 Falldokumentationen entwickelt. 50 Stellen am Fuß, an denen bevorzugt Ulzerationen auftreten, konnten so bestimmt werden. Diese wurden in sinnvolle Gruppen in 22 sogenannte Entitäten zusammengefasst. Diesen Entitäten wurden aus dem DFS-Register Häufigkeiten, Risiken und Prognose zugeordnet. Das Konzept der Entitäten erleichtert das Verstehen der komplexen biomechanischen Hintergründe und nutzt die systematische Verbindung zwischen der Lokalisation und den Ursachen des diabetischen Fußsyndroms zur Standardisierung der daraus resultierenden Therapiemöglichkeiten und zur Präzisierung der Prognose. Differenzierte Entlastungskonzepte können so schneller überblickt werden und es wird eine Basis geschaffen zur Weiterentwicklung in der interdisziplinären und interprofessionellen Diskussion zwischen Diabetologen, Chirurgen, Orthopädieschuhmachern, Podologen und Angehörigen weiterer beteiligter Gesundheitsberufe. Das Diabetische Fußsyndrom (DFS) ist eine Gruppe von Folgeerkrankungen des Diabetes mellitus, die das Leben und die Mobilität der Betroffenen bedrohen. Ihre Gemeinsamkeit besteht in der Überbeanspruchung des Fußes bei Ausbleiben rechtzeitig warnender Schmerzen. Vergleichbare Krankheitsbilder entstehen auch bei Menschen mit Neuropathien anderer Genese [1].

Druckulzera über Knochenvorsprüngen
venöse Ulzera in der Knöchelregion
Dekubitalulzera an der Ferse
thermische Schädigung flächig an üblicherweise unbelasteten Stellen, mehrere Lokalisationen im gleichen Stadium
akzidentelle Traumata Fußsohle auch in nicht tragenden Bereichen und gelegentlich am Fußrücken

Die Ausdehnung der sensiblen Repräsentanz des Fußes im Gehirn zeigt die Bedeutung der Sensibilität für die Funktion des Fußes. Die so ausgebildete Sensibilität erlaubt ein dosiertes Auftreten und schützt den Fuß. Bei gestörter Sensibilität kommt es zu einer Mehrbelastung der Füße und kompensatorisch entwickeln sich Hyperkeratosen. Bei weiterem Fortschreiten bilden sich zunächst präulzerative Läsionen wie beispielsweise Schwielenhämatome [2] und später auch Ulzera [3]. Das reduzierte Schmerzempfinden kann darüber hinaus zu einer ungebremsten Wirkung akuter Trauatisierungen oder thermischer Noxen führen. Weitere schädliche Bedingungen wie die periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) verlaufen in ihren Frühstadien unbemerkt. So entwickeln sich Schäden, die ohne Polyneuropathie durch frühere Interventionen möglicherweise vermieden worden wären [4, 5] Abb 1_FußDie verschiedenen Ursachen des DFS können in Voraussetzungen und Anlässe unterteilt werden. Die Voraussetzungen, wie beispielsweise Polyneuropathie, pAVK oder chronisch venöse Insuffizienz, schwächen die Widerstandsfähigkeit des Fußes. Ohne sie bestünde kein DFS. Sie können zum Teil gebessert, aber in aller Regel nicht behoben werden. Daher bestht das DFS lebenslang. Die Anlässe bestimmen den Ort, an dem das DFS manifest wird und können oft vermieden werden. Ein Beispiel ist die Belastung dafür nicht vorgesehener Hautabschnitte bei fehlgestellten Zehen (Plantarisierung, s. u.). Für das erfolgreiche Unterbinden der Anlässe ist die Lückenlosigkeit des Schutzes entscheidend. Dies zu ermöglichen ist im Alltag der Kern der Tätigkeit des therapeutischen Teams im Umgang mit Menschen mit DFS. Eine systematische Gliederung dieser Anlässe in Entitäten anhand der Lokalisation wurde hier vorgenommen [6] (Tabelle 2).

Konzept der Entität

Die Bildung von „Entitäten“ nutzt die systematische Verbindung zwischen der Lokalisation und den Ursachen des DFS zur Standardisierung der daraus resultierenden Therapiemöglichkeiten und zur Präzisierung der Prognose. Entlastung kann mittels Druckumverteilung, Ruhigstellung von Gelenken oder Schrittzahlverringerung erfolgen [7, 8]. Eine gute Lebensqualität durch Erhalt der Mobilität ist das übergeordnete Ziel. Daher ist die Schrittzahlverringerung durch Verbote oder durch gehbehindernde Schutzapparate zwar für den Therapeuten einfach, aber wenig zielführend. Die Ruhigstellung führt zur Nichtbenutzung distaler Muskelgruppen und ist daher auch nicht optimal, kann aber zur besseren Druckumverteilung mit dieser kombiniert werden, wenn es notwendig ist. Werden zur Druckumverteilung Operationen eingesetzt, so spricht man von „innerer Entlastung“ während die „äußere Entlastung“ durch Hilfsmittel erfolgt. Der große Vorteil der inneren Entlastung ist die automatische Lückenlosigkeit, die bei „freiwilliger“ Anwendung von Hilfsmitteln nicht erreicht wird. Das Konzept der Entitäten erleichtert das Verstehen der komplexen biomechanischen Hintergründe wie auch der In- terventionsmöglichkeiten. Es schafft eine Basis zur Weiterentwicklung in der interdisziplinären und interprofessionellen Diskussion zwischen Diabetologen, Chirurgen, Schuhmachern, Podologen und Angehörigen weiterer beteiligter Gesundheitsberufe.

Druckumverteilende innere Entlastung

Chirurgische Maßnahmen zur inneren Entlastung entfalten ihre Wirkung unabhängig von den Alltagsentscheidungen des Patienten, das heißt unausweichlich und damit lückenlos. Sie sind in der Therapie schmerzhafter Füße bei Menschen ohne Neuropathie entwickelt worden. Wie der Schmerz das Überlastungssymptom des Menschen ohne Neuropathie ist, so ist das Ulkus das Überlastungssymptom der Menschen mit Neuropathien. Die Übertragung der operativen Konzepte aus der Behandlung schmerzhafter Füße auf insensitive Füße mit Überlastungsverletzungen ist insbesondere durch kulturelle Barrieren zwischen den beteiligten Disziplinen fast vollständig unterbunden. Dabei sind die Verfahren, die bei Neuropathie zum Einsatz kommen, eher einfacher, da es sich weniger um kunstvolle Rekonstruktionen handelt, sondern um Eingriffe, die möglichst ohne Fremdmaterial einen belastbareren Fuß herstellen. Sie sind eher subtraktiv (d. h. etwas wird entfernt) als additiv, werden häufig in Leitungsanästhesie durchgeführt, benötigen keine Blutsperre und können oft auch bei bestehenden Wunden und mäßiger Durchblutungssituation eingesetzt werden. Pseudoarthrosen, die bei Menschen mit normaler Sensibilität stark beeinträchtigende Schmerzen verursachen, können bei Menschen mit Neuropathie bewusst in Kauf genommen werden. Probate Verfahren sind beispielsweise die Tenotomie der langen Flexorensehne oder die Resektionen knöcherner Prominenzen [9 – 12].

Druckumverteilende äußere Entlastung

Die äußere Druckumverteilung gelingt durch polsternde Elemente, die entfernt vom Ulkus angebracht werden und das Ulkus in möglichst jeder Phase des Abrollvorgangs aus der Belastungszone halten. Eine Weichpolsterung des Ulkus selbst oder seiner direkten Umgebung (z. B. durch Schaum oder Filz) ist nicht sinnvoll, da sie zwar den Wundgrund und den darunter liegenden Knochenvorsprung schützt, die Druckumverteilung aber auf die unmittelbare Umgebung und damit auf den Wundrand erfolgt. Nach Wundschluss kann eine Weichpolsterung erfolgen. Die Polsterungen können in den Verband eingearbeitet werden oder in die Bettung des Schuhwerks. Im Verband ist der Einsatz lückenlos, muss aber beim Verbandwechsel kompetent erneuert werden. Im Schuh ist die Wirksamkeit vom Trageverhalten abhängig [13 – 15].

Plantarisierung

Zirka 60 Prozent der Ulzera betreffen die Zehen. Hier ist das Konzept der Plantarisierung [6] für das Verständnis der Pathogenese wesentlich. Bei der „Plantarisierung“ werden durch Krallen oder Drehen oder Überbiegen der Zehen Anteile des Fußes zur Belastungszone, die dafür nicht bestimmt sind. Diese Plantarisierung kann funktionell sein, das heißt erst unter Belastung auftreten. Aufgrund der unterschiedlichen therapeutischen Ansätze, ist eine flexible von einer fixierten Plantarisierung durch manuelle Untersuchung zu unterscheiden. Eine flexible Plantarisierung lässt sich durch den Untersucher mit Kraft vorübergehend korrigieren. Ist dies möglich, so kann ein Sehneneingriff in der Regel eine dauerhafte Beseitigung erreichen. Fixierte Situationen bedürfen der Indikationsstellung durch einen erfahrenen Chirurgen, der die Möglichkeiten, zum Beispiel durch eine Kapsulotomie in Lanzettetechnik, abschätzt.

Entitätenkonzept

Die verschiedenen Ursachen eines DFS begründen Wunden bevorzugt an definierten Regionen des Fußes (Tabelle 1: Ursachen und typische Lokalisationen). Umgekehrt lassen sich Ulzera beim DFS anhand der Lokalisation und der dort typischen schädigenden Auslöser in Entitäten einteilen (Abb. 1 Übersicht der Entitäten des DFS). Diesen Entitäten konnten aus dem DFS-Register Häufigkeiten, Risiken und Prognose zugeordnet werden. Bei Druckulzera weist die Lokalisation auf die spezifische Störung der Biomechanik hin, woraus sich die Art des Entlastungskonzeptes ableitet.

Material und Methoden

Im Rahmen der Qualitätssicherung der Netzwerke Diabetischer Fuß wurden Fotos und Daten von 12.473 Fällen mit aktivem DFS erhoben, die Bestandteil des DFS-Registers wurden [16]. 10.037 (80 %) davon flossen in die Analyse der Lokalisationen ein. Nicht verwendet wurden dagegen 1.424 Fälle mit Fotos, auf denen die Lokalisation nicht bestimmbar war sowie 790 mit Fotos, die den Unterschenkel betrafen und 222 Fälle, bei denen der Kontakt zu den Patienten abgerissen war, so dass weder ein Zwischenergebnis nach 6 Monaten noch ein Endergebnis zur Auswertung herangezogen werden konnte. Von den 1.424 Fällen war die Lokalisation in 363 wegen technischer Mängel im Foto nicht zuzuordnen, in 37 Fällen waren die Läsionen zur Bestimmung eines initialen Focus zu weit fortgeschritten, in 796 Fällen war die Lokalisation nicht eindeutig zu erkennen und in 228 Fällen war die Lokalisation zwar zu erkennen, entsprach aber keiner der vordefinierten Areale. In den 10.037 verwertbaren Fällen konnten die Fotos 50 Lokalisationen zugeordnet werden. Zu jeder Lokalisation wurden Häufigkeiten, Risiken und Prognosen aus dem Register DFS bestimmt. Das Register erfasst einzelne Erkrankungsepisoden, wobei die prognostisch bedeutsamste Verletzung zu Beginn der Episode fotografiert und dokumentiert wird. Die Behandlungsergebnisse werden beim Übergang in Remission (belastungsstabiler Wundschluss) festgehalten und beziehen sich auf den gesamten Behandlungsverlauf seit Beginn der Episode, unabhängig davon, wie viele andere Verletzungen es zwischenzeitlich noch gegeben hat. Durch die Überlagerung des Verlaufs der initial fotografierten und dokumentierten Wunde mit späteren Problemen, wie beispielsweise zusätzlichen Ulzera werden Unterschiede abgeschwächt, sind aber immer noch gut erkennbar. In einem zweiten Schritt wurden die 50 Lokalisationen anhand der Ähnlichkeit von Ursache und Prognose in 22 Entitäten zusammengefasst. So wurden zum Beispiel acht getrennt erfasste interdigitale Lokalisationen zu einer Entität. Die Nummerierung erfolgte von medial nach lateral und von distal nach proximal.

Tabelle 1

Nr. Entität   Merkmal Operative Maßnahmen innere Entlastung Hilfsmittel äußere Entlastung Bemerkungen
1 Kuppe D1 6,1 Plantarisierung der  Kuppe oder zu kurzes Schuhwerk Tenotomie der langen Flexorensehne D1 oder der langen Flexorensehne D2-D4. An den Langzehen gegebenenfalls PIP  Gelenkarthrodese Unterstützung des  Metatarsalkopfes, Sohlenversteifung  und Abrollsohle D1:  Unterstützung der  medialen Wölbung, D2-4: Kehlenpolster  (Distanzpolster in der „Kehle“ von PIP und DIP), Test auf funktionelle  Plantarisierung im Stand unter Belastung, um die  Möglichkeit einer operativen Lösung nicht zu übersehen. An D1, insbesondere bei  Beteiligung des Nagelbettes, hoher Anteil behandlungsbedürftiger pAVK (18,1 %) und hohes Risiko (4,9 % Majoramputation), an D2-D4  nicht (Revaskularisation 8,3 % und Majoramputation 1,4 %)
2 Kuppe  D2-D4 10,3
3 Torsions  läsion D1 medial 6,1 lantarisierung der medialen  Gelenkanteile D1 und der distalen  Phalanx Tenotomie der  Flexorensehne D1, Kondylektomie am IP-Gelenk, Korrektur  des Hallux valgus/-rigidus Polsterung mit  Erhöhung der proximalen und  distalen Anteile der Großzehe und des  Ballens, Unterstützung der medialen Wölbung, Sohlenversteifung und Abrollsohle Langwierig und hohe  Rezidivneigung, Genaue  Untersuchung einschließlich  Test auf funktionelle Plantarisierung notwendig
4 Os  Metatarsale 1 medial 3,1  „Hallux valgus“ mit Exposition des  stark varisierten Metatarsalekopfes 1 Chirurgie des Hallux  valgus in der Remissionsphase Abstandhalter,  ausreichend weite Schuhe, evtl. nach Maß  Oft Eröffnung einer  „Pseudobursa“, die keine Gelenkverbindung hat
5 IP-Gelenk D1 plantar 2,9  Überstreckung des IP-Gelenks bei Hallux rigidus, seltener ein akzessorisches Sesambein der langen Beugesehne  Chirurgie des Hallux rigidus, z. B. Resektionsarthroplastik nach Valenti, mediale Kondylektomie, Entfernung eines akzessorischen Sesambeines (evtl.) Sohlenversteifung und Ballenrolle, evtl. nur „Rigidusfeder“, Erhöhung von Ballen und evtl. med. Wölbung Hohe Rezidivrate (50,5 % im Folgejahr)
6 Nagelbett 12,1 Eingewachsene Nägel, Nägel mit Strukturschäden z. B. durch Mykosen und Traumata des Nagelbettes Nagelchirurgie (Nagelkeilresektion, Emmertplastik, Pheno – lisation), evtl. Tenotomie der langen Flexorensehne Angemessener Platz im Schuhwerk, keine steifen Zehen – kappen, Orthonyxiespange, Tamponade des Sulcus/Sulcus – protektor 90 % an D1, Prognose in der Regel gut, Nagelextraktionen sind in der Regel keine dauerhafte Lösung und sollten unterbleiben
7 IP-Gelenk D1 dorsal 1 Anstoßen von Gelenkanteilen in der Zehenbox. „Zick-Zack“-Fehlstellung (Hyperextension im Grundgelenk bei gleichzeitiger Hyperflexion im IP-oder DIP-Gelenk) Tenotomie der langen Flexorensehne D2-D4, an D1 in Kombination mit einer Verlängerung der Extensorensehnen, PIPGelenk- Resektionsarthroplastik, plantare Kapsulotomie des PIP-Gelenkes, Wundverkleinerung. Wenn überhaupt Ampu – tation der Zehe, dann möglichst in einem der Zehenglieder, evtl. limitierte Resektion infizierter Knochen Keine Versteifung in der Zehenbox der Schuhe, Distanzpolster auf dem Fußrücken (2 cm Dicke und mehr) Häufige Knochenbeteiligung, was keine grundsätzliche Amputationsindikation darstellt!
8 IP-Gelenk D2-D4 dorsal 6,5
9 Interdigital 5,5 Limited joint mobility und Schuhdruck Entfernung des IP-Gelenks Distal und nicht tief interdigital  angebrachte und sehr weiche Abstandhalter, wenn überhaupt Vermeidung von Allem, was den Vorfuß einengt Knochenbeteiligung stellt keine grundsätzliche Amputationsindikation dar! Weniger Rezidive als andere Entitäten

 

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Tabelle 2

Nr. Entität % Merkmal Operative Maßnahmen innere Entlastung Hilfsmittel äußere Entlastung Bemerkungen
10 Kleinzehe 3,5 Lateralseite eines IP-Gelenks durch Torsion (Quadratus plantae Insuffizienz) oder Kuppe durch Hyperflektion plantarisiert Entfernung des IP-Gelenks, Tenotomie der langen Beugesehne Abstandshalter, angemessene Leistenweite Hohe Knochenbeteiligung, die keine grund – sätzliche Amputationsindikation darstellt, durchschnittliche Revsakularisationshäufigkeit (9,8 %)
11 GG D5 lateral 2 Druckexposition der Lateralseite des IP-Gelenks durch Schuhwerk oder Schneiderballen Gelenkentfernung, evtl. beim Schneiderballen Stellungskorrektur im Intervall, bei Kombination mit Hohlfuß und verkürztem Wadenmuskelkomplex Verlängerung der Achillessehne Abstandshalter, angemessene Leistenweite Hohe Knochenbeteiligung, hohe Revaskularisationshäufigkeit (17,7 %), hohe Majoramputationshäufigkeit (2,9 %)
12 Basis MTK 5 lateral 0,9 Exposition der Tuberositas der Basis des MTK5, an der die Fibularis brevis Sehne ansetzt Allenfalls nur geringfügige Entfernung infizierten Knochens Abstandhalter, angemessene Leistenweite, Vermeidung einer dort häufig verlaufenden Naht im Schuh Hohe Revaskularisationshäufigkeit, hohe Majoramputationshäufigkeit
13 MTK 1 plantar 6,7 Sesambein, häufiger das mediale, exponiert für Druck Verlängerung der Strecksehnen der Großzehe bei gleichzeitiger Tenotomie der langen Beugesehne, selten Entfernung des medialen Sesambeines, Operation nach Jones Ballenrolle, Stufenbettung, Schmetterlingsrolle, Zehenbalkon, Anhebung der medialen Wölbung (MTK 1 – 2) oder Außenranderhöhung (MTK 4– 5), diagonale Außenranderhöhung (MTK 5 und positiver Coleman Block Test[17]), evtl. Sohlenversteifung Rezidive häufiger als bei anderen Entitäten (über 50 % im Folgejahr), daher bei aktiven Patienten innere Entlastung erwägen
14 MTK 2-5 plantar 8,7 plantare Fortsätze der Kondylen der Köpfe der Metatarsalia 2 – 5, häufiger der lateralen, exponieren für Druck dorsalisierende Umstellung des Kopfes (Keil-Osteotomie) bei intaktem Grundgelenk, Sehnenchirurgie zur Druckumverteilung
15 Knöchel zentral 1,9 Fokussierung auf die Prominenzen der Malleolen Keine Standardprozedur, frühzeitige Diskussion plastisch-rekonstruktiver Verfahren Wenn Kompressionstherapie notwendig ist, so muss für ausreichendes Kulissenpolster gesorgt werden. Anpralltraumaund Lagerungsschutz Läsionen mit Zuspitzung genau über der knöchernen Prominenz weisen häufiger eine Knochenbeteiligung auf, benötigen oft eine Revaskularisation und bedingen häufig Majoramputationen, langwierig
16 Knöchelregion 2,1 Spektrum an Differentialdiagnosen wie Unter – schenkelulzera Evtl. Therapie der chronisch venösen Insuffizienz Kompressionstherapie Führendes Prinzip ist die Kompressionstherapie mit Rücksicht auf pAVK und Malleoli (Kulissenpolster), langwierig
17 Tuberositas Calcanei 3,2 Processus lateralis des Tuber calcanei im Sinne einer Dekubitalläsion Keine  Standardprozedur Bedcast oder andere, sicher distanzierende Hilfsmittel, keine Fellschuhe o.ä. Wesentlich ist die Prophylaxe, insbesondere perioperativ. Die Behandlung ist Domäne der äußeren Entlastung mit überwiegend guten Ergebnissen auch bei gravierenden Ausgangsbefunden, dennoch hohe Majoramputationshäufigkeit (4,3 %) und lange Verläufe
18 Sohle Ferse 5,6 Übergang Leistenhaut-Felderhaut als Prädilektionsstelle für Rhagaden sowie auf der Sohle Traumata (analog 19) und bei Achillessehnenruptur Nach Traumata sorgsame Exploration Bei Rhagaden Tapeverbände und Acrylatkleber, bei Ulzera im Bereich des Fersenpolsters TCC, Walker oder 2-Schalen-Orthese Rhagaden haben eine eher günstige Prognose, sind aber in Fällen mit gleichzeitiger subkritischer Ischämie risikobehaftet, weshalb auch ein schmaler Nekrosesaum ein Alarmzeichen darstellt, Läsionen im Bereich des Fersenpolsters benötigen überdurchschnittlich oft Revaskularisationen und führen auch zu Majoramputationen

 

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Tabelle 3

Nr. Entität % Merkmal Operative Maßnahmen innere Entlastung Hilfsmittel äußere Entlastung Bemerkungen
19 Sohle in unbelasteten Bereichen 1,7 Ulzera außerhalb typischer knöcherner Prominenzen: Traumata, Hitze oder Fehlstellungen z.B. bei Charcotfuß Abszesse und tiefe, kontaminierte Stichkanäle benötigen eine chirurgische Therapie Distanzierende Polster Prognose in der Regel gut
20 Fußrücken 2,2 Prognose durchschnittlich
21 Rhagaden an Vor/Mittelfuß 1,3 Scherkräfte Keine Standardprozedur Tapeverbände und Acrylatkleber Prognose in der Regel gut
22 Narben 5,7 Hypotrophes Gewebe und Fehlbelastung Keine Standardprozedur Distanzierende Polster Re-Ulzerationen im Narbenbereich dehnen sich rasch in die Tiefe aus und sind oft folgenschwer

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 Fazit

Die komplexen biomechanischen Vorgänge in der Entstehung von Läsionen beim DFS lassen sich an Hand der Entitäten gruppieren und die Behandlung kann dadurch standardisiert werden. Differenzierte Entlastungskonzepte können so schneller überblickt werden. Die Verbreitung von Methoden, die ohne den Einsatz von schrittzahlverringernden Verboten und Apparaten auskommen, wird damit gefördert und es besteht eine Struktur für die interdisziplinäre Weiterentwicklung der Entlastungskonzepte.

Anschrift für die Autoren

Dr. Dirk Hochlenert Centrum für Diabetologie, Endoskopie und Wundheilung Merheimer Str. 217, 50733 Köln E-Mail: dirk.hochlenert@cid-direct.de

Literatur

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  10. van Netten, J.J., A. Bril, and J.G. van Baal, The effect of flexor tenotomy on healing and prevention of neuropathic diabetic foot ulcers on the distal end of the toe. J Foot Ankle Res, 2013. 6(1): p. 3.
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  17. Stinus, H., Neue Ansätze in der konser- vativen Versorgung des Hohlfußes – Vor- trag. 2013, Gesellschaft für Fusschirurgie – Association for Foot Surgery.

Grafiken und Textauszüge mit freundlicher Genehmigung des Springer Verlages aus Hochlenert/Engels/Morbach: Das diabetische Fußsyndrom – Über die Entität zur Therapie, Springer Verlag 2014.