Alltagsferne Therapievereinbarungen sind in der Behandlung des Diabetischen Fußsyndroms keine Seltenheit. Möchte der Betroffene, der der Vereinbarung anfänglich zugestimmt hat, es doch lieber anders machen, kommt ein Gespräch darüber oft schwerfällig zu Stande.

Alltagskritische Vereinbarungen zu Schuhen

Erhält der Betroffene schützendes Schuhwerk auf Kosten der Krankenkasse, so soll er in der Regel ausschließlich dieses und bei jedem Schritt tragen. Das klingt auch sinnvoll, wie soll der Schutz denn sonst zu Stande kommen? Aber….

Nach Wundschluss steht oft zunächst nur ein Paar schützender Schuhe zur Verfügung. Das ist auch gut begründet, denn möglicherweise kommt der Patient damit ja nicht zurecht. Was aber würden Sie tun, wenn Ihnen aufgetragen würde, nur noch ein Paar Schutzschuhe zu tragen und Sie erst in einigen Wochen bis Monaten die Aussicht auf ein zweites Paar hätten? Mit den gleichen Schuhen im Haus und auf der Straße laufen, auf matschigem Waldboden und beim Besuch im Konzert? Notgedrungen probieren Betroffene, wie viel auch ohne die schützenden Schuhe geht.

Und dann: Die gesamte Sammlung schöner, teurer Schuhe soll in die Altkleidersammlung gehen? In der Konsequenz behalten die Patienten oft ihre Schuhsammlung und ziehen ab und zu auch andere Schuhe als die verordneten Schutzschuhe an.

Mobilität versus Entlastung

Ein noch schlimmerer Einschnitt in den Alltag ist die gängige Aufforderung, angesichts einer Fußwunde nun „gar nicht“, „kaum“ oder „nur noch das Nötigste“ zu gehen. Eine Woche lang mag es angenehm sein, sich verwöhnen zu lassen, aber danach? Das gesellschaftliche Leben soll wegen eines Körperteils beendet werden, von dem man nicht einmal etwas spürt? Ein gefühlt kerngesunder Mensch soll sich begrenzen wegen einer Wunde am Fuß, mit der er früher Fußball gespielt hätte? Kommt es im Leben sonst nicht darauf an, die Zähne zusammen zu beißen und sich mit einer Verletzung oder Krankheit nicht fallen zu lassen?

Die Forderung, auf den kranken Fuß nicht zu treten, ist naheliegend und wird auch in der Regel akzeptiert. Selbständigkeit und Alltagskompetenz werden aber schnell so eingeschränkt, dass das Leben nicht mehr wie gewohnt geführt werden kann. Die Zeiträume der Einschränkung messen sich in Monaten oder Jahren. Und es gibt einen weiteren guten Grund, solche Anweisungen zu hinterfragen: Verluste der Mobilität sind ab einem gewissen Alter nur noch schwer zu rehabilitieren. Dabei ist das übergeordnete Ziel aller Bemühungen am Diabetischen Fuß der Erhalt der Mobilität.

Konsequenz: Patienten laufen auf den kranken Füßen weiter. Und das ist im Einzelfall möglicherweise sogar gut so.

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