Das Beharrungsvermögen falscher Vorstellungen, die einmal Einzug in die Lehrbücher gehalten haben, ist kaum nachvollziehbar. Besonders grotesk sind Fehler, wenn die einfache Beobachtung des offensichtlich gesunden eigenen Körpers oder des seiner Kinder/Partner/Freunde reicht, um das Gegenteil zweifelsfrei zu erkennen. Hier das Beispiel eines absurden Konzepts, das als Rationale vieler Einlagenversorgungen gilt.

„Wir stehen auf Ferse, MTK 1 und MTK 5 und wenn MTK 2-4 bei Belastung auf den Boden kommen, hat man einen Spreizfuß.“ Das „Quergewölbe“ auf Höhe der Mittelfußköpfe als Voraussetzung dafür, keinen Spreizfuß zu haben und einlagenfrei durchs Leben zu gehen, wurde auch in die letzte Ausgabe von Stiftung Warentest wieder wie selbstverständlich übernommen. Bei der Musterung des Autors dieses Textes wurden von 20 gesunden, jungen Männern 19 nicht der höchsten Wehrtauglichkeitsgruppe zugeordnet, weil sie einen Senk-Spreizfuß haben sollten. Nicht das wir traurig gewesen wären, offensichtlicher Quatsch war es trotzdem und hat das Zutrauen in die entsprechende ärztliche Fachgruppe nachhaltig beschädigt. Jeder mit halbwegs gesunden Füßen, der seine Vorfüße auf den Boden preßt, kommt mit allen fünf Metatarsalköpfen auf den Boden.

Mit der unterstellten Notwendigkeit, das „Quergewölbe“ zu unterstützen, werden Einlagenversorgungen mit einer so genannten Pelotte, einer rundlichen Beule mitten in der Einlage, begründet. Dies soll die Mittelfußknochen retrokapital, also „hinter den Köpfen“ der Mittelfußknochen stützen. Dadurch wird die Auflagefläche der Mittelfußknochen erhöht, was den Druck reduziert und oft als angenehm empfunden wird. Es hat aber nichts mit einem „Quergewölbe“ zu tun.

Mit der Idee des Quergewölbes auf Höhe der Metatarsalköpfe hängt auch das Modell des Dreipunktstandes zusammen. Fußmodelle haben eine lange Tradition und sollen durch Vereinfachung das Verständnis für wesentliche Funktionen beim Gehen erleichtern. Somit dürfen sie auch Fehler enthalten, die der Vereinfachung geschuldet sind. Nur sollten diese Fehler in einem Modell nicht zur Grundlage inexistenter Krankheitsbilder werden und Begutachtungen und Therapieempfehlungen beeinflussen.

Zur Vermeidung von Missverständnissen: Bei Toten und auch bei lebendigen Menschen in Ruhe kann eine Wölbung auf Höhe der Metatasalköpfe bestehen. In Belastung verschwindet sie aber außer bei manchen Fußerkrankungen. Weiter proximal auf Höhe der Basis der Metatarsalknochen und darüber hinaus besteht eine Querwölbung auch unter Belastung. Das ist tief im Inneren des Fußes und nicht sichtbar. Auch wird eine retrokapitale Unterstützung der mittleren Metatarsalknochen von vielen Menschen als angenehm empfunden, insbesondere wenn sie daran seit vielen Jahren gewohnt sind. Das hat nur nichts mit der „Aufrichtung des Quergewölbes“ zu tun, auch wenn das schon mal als Banalerklärung auch dem Kundigen über die Lippen rutscht.

Fazit: In individuell angefertigten Einlagen kann eine retrokapitale Unterstützung bei schmerzenden Vorfüßen versucht werden. Wer als Standard jede Einlage mit reflexartigem Griff in die Kiste mit den Pelotten begleitet, um „das Quergewölbe aufzurichten“, sollte mal wieder eine Fortbildung besuchen.

– noch weiterer Unsinn? Schreiben Sie bitte, was Sie am DFS als Unfug erleben, aber völlig etabliert ist. Wir finden bestimmt eine lange Liste…


Orthopädische Einlagen: So gehts besser, Stiftung Warentest Spezial, 3/2016, S. 96

Bildquelle: I. Rasche  / pixelio.de