Das Beharrungsvermögen falscher Vorstellungen in der Medizin ist erstaunlich. Wenn sie einmal in die Literatur Einzug gehalten haben, werden sie gerne zitiert tauschen so immer wider auf. Manchmal wirken sie auf den ersten Blick plausibel und sind erst schädlich, wenn sich Therapien zu konsequent daran orientieren. So bei diesem Beispiel:

„Plantare Ulzera entstehen durch schlechte Schuhe.“  – Für die ganz überwiegende Mehrheit der Menschen wären die gleichen Schuhe aber gut ulkusfrei zu tragen. Ärzte in Entwicklungsländern empfehlen ihren Patienten als Erstes, überhaupt Schuhe zu tragen, da man sich dort insbesondere beim Barfußgehen verletzt.

Wieso sollen die Schuhe also Ulzera der Fußsohle verursachen? Die Schuhe stellen letztlich nur das Widerlager dar, gegen das ein Knochenvorsprung im Inneren des Fußes preßt und die dazwischen liegenden Gewebe traumatisiert. Der Schuh ist mit jedem anderen Widerlager austauschbar: andere Schuhe oder der Fußboden beim Barfußgehen. Die Störung liegt im Fuß, der den Knochenvorsprung hemmungslos auf den Boden drückt. Der gestörte Fuß mit reduziertem Schmerzempfinden, reduziertem Fettgewebepolster, reduzierter intrinsischer Muskulatur und evtl. reduzierter Flexibilität durch eine verkürzte Achillessehne entwickelt ab einem gewissen Grad der Verletzlichkeit in allem, was nicht perfekt auf ihn abgestimmt ist, Ulzera.

Was Schuhe allerdings können: Sie können zu eng sein und Füße seitlich einengen. So können sie Ulzera streng medial am Kopf des MTK 1 beim Hallux valgus und streng lateral an MTK 5 sowie interdigitale Ulzera verursachen. Diese Lokalisationen machen aber insgesamt nur ca. 10% der Ulzera aus. Bei Läsionen der Zehen im Bereich der Zirkumferenz (vorne, seitlich und medial) werden zu kleine Schuhe oft zu Unrecht angeschuldigt, weil eine Plantarisierung übersehen wird. Damit ist gemeint, dass Hautabschnitte durch drehen, krallen oder überstrecken von Zehen zu Anteilen der Auflagefläche werden, die dafür nicht vorgesehen sind und kein elastisches Dämmmaterial aufweisen. Dann wirkt es so, als ob das Ulkus von vorne oder von einer Seite durch Schuhe verursacht sei. Erst unter Belastung wirken sich die kurz gewordenen Sehnen aus und ziehen den Zeh in eine Fehlposition.

Es ist wichtig, nicht zu Unrecht den Schuh anzuschuldigen, weil dieser Fehler zur falschen Wahl der weiteren Therapie führt. Der Schuh hat es schwer, weil er zwar schützt aber oft auch stört. Überzeugungsarbeit und wiederholte Korrekturen des Schuhwerks sind richtig. Wenn es aber nicht funktioniert, z.B. weil sich der Patient im Alltag zu oft entscheidet, die Schuhe nicht zu tragen, sollte das zur Korrektur des Konzepts führen. Und das sollte zumindet beim soundsovielten Rezidiv nicht wieder der Schuh sein. Alternative Entlastungsmethoden sind über das Entitätenkonzept leicht zu finden. Die Frage danach, ob die Schuhe „immer getragen“ wurden oder nicht, ist überflüssig, weil das niemand macht. Die Interpertation der Antwort führt dann nur zu weiteren Fehlern.

Fazit: Patienten mit Ulzera der Zirkumferenz der Füße müssen im Stehen auf eine Plantarisierung untersucht werden. Bei Rezidiven ist die Frage nach dem Trageverhalten der Schuhe eine Einbahnstrasse in Fehlinterpretationen. Sinnvoller ist die Frage „Was können wir besser machen damit das nicht mehr passiert?“ Der Patient kann nicht wissen, welche operativen Alternativen zur Verfügung stehen. Der Therapeut muss sich aber fragen, warum das Ulkus genau an dieser Stelle besteht und warum er genau bei diesem Patient keine operative Therapie empfiehlt.

– noch weitere Irrtümer? Schreiben Sie bitte, was Sie am DFS als falsch erleben, was aber völlig etabliert ist!