Eigentlich ist es einfach: Eine Entzündung ist eine Reaktion des lebendigen Gewebes auf einen schädigenden Prozeß, um diesen abzuwehren und Folgen zu reparieren. Was sich entzündet kann nicht tot sein und was tot ist, kann sich nicht entzünden. Um so unverständlicher ist die gängige Vorstellung, infizierter Knochen sei wie tot zu betrachteten und grundsätzlich zu entfernen, wenn nötig auch mit einer Amputation.

Amputationsvermeidung: Infizierten Knochen von totem Knochen unterscheiden

Die Behandlung von Menschen mit DFS soll ihr Überleben sichern und ihre Mobilität erhalten. Der Vermeidung von Amputationen kommt dabei eine wesentliche Bedeutung zu. In einer Erhebung der AOK Rheinland Hamburg ist es zwar zu einer Reduktion hoher Amputationen ihrer Versicherten um ca. 10% pro Jahr seit 2007 gekommen. Diese so genannten Majoramputationen sanken von 217 auf 126 / 100.000 Menschen mit Diabetes [1].

Aber es finden noch immer viel zu viele Amputationen statt. In anderen Ländern ist die Bedarfsplanung teilweise sehr streng und nur ein Krankenhaus der Region erhält für Amputationen Honorar. Arbeitet dieses sehr gut wie in Ipswich (GB), so liegt die Häufigkeit bei 67 / 100.000 Menschen mit Diabetes[2], also ungefähr der Hälfte. Zudem konnte bisher trotz großer Anstrengungen bei kleineren Amputationen, also unterhalb des Sprunggelenks, keine signifikante Reduktion erreicht werden. Weitere Verbesserungen sind also möglich!

Darum müssen amputationsbegründende Konzepte hinterfragt werden. In der interdisziplinären Amputationsvermeidung hat sich bewährt, zwischen entzündetem und nekrotischen Knochen streng zu trennen. Operationen, bei denen etwas entfernt wird, bezwecken lediglich die Elimination des toten Knochens zuzüglich unvermeidlicher Umgebungsanteile. Sie haben den belastbaren Fuß zum Ziel. Es hält sich jedoch die verbreitete aber falsche Vorstellung, sämtlicher infizierte Knochen müsse entfernt werden. Dem sind wahrscheinlich zahleiche unnötige Amputationen anzulasten. An die Stelle eines Automatismus sollte eine differenzierte Strategie und echte Entscheidungsfindung ähnlich dem Vorgehen bei einer infizierten Prothese treten.

MRT-Bilder übertreiben und hinken der Genesung lange Zeit hinterher

Besonders unglücklich ist angesichts dieser Tradition, daß moderne Verfahren der Bildgebung wie das MRT mehr Feinheiten darstellen als Ärzte aus früheren Zeiten gewohnt sind. In diesen Bildern wirken viel ausgedehntere Anteile entzündet. Reparaturprozesse lassen sich noch lange nachweisen, auch wenn der Betroffene sich schon wieder genesen fühlt. Wer sich in der traditionellen Sicht verhaftet fühlt und allen entzündeten Knochen entfernt will, könnte in dieser Konstellation noch mehr abschneiden als ohnehin schon unnötigerweise geplant war.

Daher ist es besonders wichtig, vor jeder Amputation, auch wenn sie klein erscheint, eine Zweitmeinung einzuholen bei erfahrenen Ärzten, die ökonomisch unabhängig sind.


  1. May, M.,et al.,  Decrease in(Major)Amputations in Diabetics: A Secondary Data Analysis by AOK Rheinland/Hamburg. Journal of Diabetes Research 2016, http://dx.doi.org/10.1155/2016/6247045
  2. Krishnan, S., et al., Reduction in diabetic amputations over 11 years in a defined U.K. population: benefits of multidisciplinary team work and continuous prospective audit. Diabetes Care, 2008. 31(1): p. 99-101.

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