von Mira mertens – veröffentlicht am 18.09.2023  Das Beitragsbild zeigt Druckverlauf (a) und Wundschluss (b-c) eines Patienten, der sein Gangbild an die Alarme angepasst hat.

Qualitative Forschung versucht, Erfahrungen so zu erheben, dass bisher nicht bekannte, subjektive Betrachtungen der beforschten Personen erkennbar werden. Hierbei geht es nicht um Zahlen und Signifikanzen, sondern darum, möglichst das komplette Spektrum der Erfahrungen mehrerer Personen zu einem Thema zu erfassen. Die Befragungen sind dabei mehr oder weniger geführt. Die Interviewer machen sich zunächst Gedanken, wie sie die Befragten dazu bringen können, sich zu offenbaren und erstellen einen „Leitfaden“ für die Befragung. Sie nehmen die Interviews mit einem Recorder auf und transkribieren sie danach. D.h. sie schreiben das gesagte Wort für Wort ab. Dann werden die Antworten kategorisiert. So wird versucht, einen Überblick zu behalten, welche Sichtweisen vielleicht schon einmal von einem anderen Interviewten berichtet wurden und welche neu sind.

Indikation

Qualitative Ansätze sind besonders in der Psychologie und in Sozialwissenschaften beliebt. So kann ein möglichst vollständiges Spektrum von Sichtweisen erkannt und sichtbar gemacht werden.

Für uns war es besonders spannend, zu ergründen, wie es Menschen mit Diabetischem Fuß geht, die eine sensorgestützte Wundtherapie erfahren. Wir hatten verschiedene Rückmeldungen von Patienten erhalten, die unterschiedlich interpretiert werden können. Wenn beispielsweise ein Patient intensiv beklagt, dass sein System einige Tage nicht funktioniert hat, könnte das Ausdruck dafür sein, dass er es sehr liebt und in diesen Tagen vermisst hat. Oder er ist davon genervt und die Negativität wurde in den Tagen, wo es nicht funktionieren wollte, auf den Höhepunkt getrieben. Daher hat Frau Mertens es übernommen, Patienten nach Abschluss der Studie nochmal zu befragen, die in der Behandlungsgruppe waren.

Methode

Es wurden zwei Patientinnen im Alter von 54 und 57 Jahren befragt. Die Interviews dauerten ca. 20 min. und waren semistrukturiert. Es wurden wenige Fragen gestellt und die Patienten mehr aufgefordert, ihre Eindrücke frei zu schildern. Im Anschluss folgte eine Auswertung der durchgeführten Interviews, anhand einer qualitativen Inhaltsanalyse (1). Im Mittelpunkt dieser qualitativen Forschungen stand folgende Forschungsfrage „Wie beeinflusst der Einsatz eines Drucksensors in einer spezifisch angepassten Entlastungshilfe, kombiniert mit akustischen Alarmsignalen über eine Smartwatch, die Wahrnehmung des chronifizierten Fußes und das Belastungsverhalten bei Patient:innen mit diabetischem Fußsyndrom?“.

Ankerzitate

Im Rahmen dieser Untersuchung wurden in den Interviews einige bemerkenswerte Aussagen zum Thema Treppengehen und den damit verbundenen Alarmen gesammelt. Diese Ankerzitate bieten interessante Einblicke in die Erfahrungen und Reaktionen der Probandinnen in Bezug auf die Alarmfunktionen. Hier sind einige der herausragenden Zitate, die das Treppengehen und die Alarme thematisieren:

„…also beim Treppengehen bin ich normal die Treppe runter und da ging dieser Alarm los. Und dann habe ich gesagt Oh, jetzt bist du aber irgendwie falsch aufgetreten.“
„…Also immer wenn ich den Fuß, also ich bin dann absichtlich schon mal eine Treppe runter, wo ich ne (..), dann gab das sofort auf der Uhr Alarm und ich weiß es gar nicht mehr (…) das piepst irgendwie und dann habe ich den Fuß wieder richtig aufgesetzt und dann war es wieder gut.“
Interviewer: „Okay. Wie haben Sie dann ihr Gangbild beim Treppengehen geändert.“
„Ähm ich meine, dass ich dann eher seitlich gegangen bin. Aber so ganz richtig erinnern kann ich mich nicht.

Ob sich ein anderes Gehen verfestigt hat.
„… diese Studie fand ich auch toll. Aber es hätte etwas länger dauern müssen, um das so richtig zu festigen. Ja, wie man den Fuß richtig aufsetzt.“

Fazit

Die vorliegende Untersuchung gibt ein Hinweis darauf, dass der Einsatz eines Drucksensors bei Patienten mit diabetischem Fußsyndrom einen Einfluss auf die Wahrnehmung und das Belastungsverhalten haben kann. Die erlangten Erkenntnisse deuten darauf hin, dass das Alarmsignal, welches durch den Drucksensor ausgelöst wird, zu einer gesteigerten Aufmerksamkeit für den betroffenen Fuß führt und somit das Bewusstsein für eine angemessene Belastung verstärken kann. Dieses Ergebnis unterstreicht die potenzielle Relevanz solcher technologischen Interventionen im Bereich des diabetischen Fußsyndroms und deren Beitrag zur Verbesserung der Patientenversorgung.

Es ist zu betonen, dass diese qualitative Untersuchung nur einen begrenzten Einblick in diese Zusammenhänge bietet. Um diesen beobachteten Effekt zu untermauern, bedarf es weiterer umfassender Untersuchungen. Insbesondere wäre es wünschenswert, die Befragung in einem breiteren Feld mit einer größeren Stichprobe durchzuführen. Eine solche Erweiterung würde dazu beitragen, die Ergebnisse zu stärken und möglicherweise auch spezifische Faktoren zu identifizieren.

Literatur

(1) KUCKARTZ, U. & RÄDIKER, S. (2022). Qualitative Inhaltsanalyse: Methoden, Praxis, Computerunterstützung. Grundlagentexte Methoden (5. Auflage). Beltz Juventa.

Forschungsbericht Anwendung einer qualitativen Methode – Mira Mertens